Homöopathie – ein wissenschaftlich nachgewiesener Humbug?
Seit einiger Zeit hält sich im Mainstream die Meinung, Globuli seien unwirksam, da die Wissenschaft das eindeutig nachgewiesen habe. So – oder so ähnlich – hört man es in den Gazetten, meist solchen der sogenannten Leitmedien. Die Homöopathiekritiker sind da in der Wortwahl zwar etwas vorsichtiger (aus gutem Grund), aber sie widersprechen diesen Aussagen auch nicht. Schweigen jedoch ist nicht selten eine Form von Zustimmung. So auch hier. Sache der Wissenschaft ist der Nachweis einer Wirksamkeit (womit die Homöopathie sich zugegebenermaßen nicht leicht tut). Noch immer aber gilt: Liegt ein solcher Nachweis nicht vor, dann darf das nicht als Beweis für die Unrichtigkeit der untersuchten Aussage gewertet werden. Betrachtet man die Sache sachlich und realistisch, dann muss man sagen: In Sachen Homöopathie hat die Wissenschaft (bis jetzt) gar nichts zweifelsfrei bewiesen: weder ihre Wirksamkeit noch ihre Unwirksamkeit. Damit ist die Streitfrage eigentlich noch immer offen:
Deutschland galt immer als Land der Vereinsmeier. Das scheint auch heute noch so zu sein. Für alles und jedes gibt es einen Verein. So auch einen der Anti-Globuli-Freunde. Sie haben sich als „Informationsnetzwerk Homöopathie“ (INH) das Ziel gesetzt, die Homöopathie aus Medizin und Gesellschaft auszumerzen. Chefsprecher des Vereins ist Dr. L. aus W., ein HNO-Arzt aus dem Bayerischen. Seit Jahren kämpft er mit Feuereifer gegen die Globulizunft, dieser existenziellen Bedrohung für das medizinische Abendland.
Dr. L. mag Twitter. Als Schöpfer und geistiger Kopf hinter #Globukalypse wettert er dort häufig und gerne gegen Globuli und jene, die sie anwenden. Das macht ihm sichtlich Spaß. Seiner Community offenbar auch. „Hau den Lukas“ war auf den Jahrmärkten früherer Jahrzehnte stets ein beliebter Zeitvertreib für Halbstarke. Dieses Spiel gibt es eben jetzt auf Twitter. Wir leben in anderen Zeiten. Neulich ließ der Doktor wieder einen Tweet vom Stapel, der das Herz eines jeden Globuliverächters hochschlagen ließ. Quintessenz des 280-Zeichen-Ergusses war: „Homöopathie bereitet den Weg zur Unwissenschaftlichkeit, Unwissenschaftlichkeit führt geradewegs zum Querdenkertum und Querdenkertum mündet im Terrorismus. Deshalb: Null Toleranz, denn das kostet Menschenleben!“ Nun also die Terrorismuskeule, während die Nazikeule in der anderen Hand noch immer freudig am Schwingen ist.
Wenn man die Anti-Globuli-Szene beobachtet fällt auf: die Attacken werden härter. Es fing mal mit Spinnern und Scharlatanen an, ging mit Betrügern und Mafiosi weiter, und jetzt sind wir inzwischen bei Antisemiten und Terroristen angekommen. Alles wegen ein paar süßen, unschuldigen Zuckerkügelchen. Der unvoreingenommene Beobachter reibt sich verwundert die Augen. Was ist denn hier los? Nun, der überzeugte Anti-Globulist hat seine Gründe, die hier zu wiederholen wohl langweilen dürfte. Grundtenor aller vorgebrachten Einwände ist die Unwissenschaftlichkeit der Homöopathie. Ein gerne gebrauchtes Wort in diesem Zusammenhang ist „Wissenschaftsfeindlichkeit“. Wer Globuli herstellt, sie verordnet oder sie auch nur anwendet, der ist ein Feind der Wissenschaft. Das ist ein schwerwiegender Vorwurf. Denn, so die Vereinsmeier des INH, wer ein Feind der Wissenschaft ist, ist ein Feind der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, ein Feind der Gesellschaft und ein Feind eines humanistischen und ethischen Wertekanons. Nun kann man die Frage stellen, wer eigentlich den Begriff „Feinde der Wissenschaft“ definiert. Und übrigens: Was ist die Definition von Wissenschaft eigentlich?
In der Szene der Anti-Globulisten wird Wissenschaft meist als radikaler Szientismus verstanden. Dieser sagt aus, dass Wissenschaft mit Naturwissenschaft gleichzusetzen ist. Demnach ist alles in der Welt mit Mitteln der Naturwissenschaft beschreib- und erklärbar. Was sich der naturwissenschaftlichen Erklärung entzieht, ist einfach nicht existent, eine Fata Morgana für Gläubige jedweder Couleur. Wissenschaften außerhalb der Naturwissenschaft können keine Wissenschaftlichkeit für sich reklamieren, wenn sie keine rein naturwissenschaftliche Basis haben. Entsprechend dieses Weltbildes erklärt es sich von selbst, dass Szientisten Methoden wie die Homöopathie grundsätzlich ablehnen. Das ist vollkommen nachvollziehbar und wäre auch nicht weiter bedenkenswert, würden die Anti-Globulisten mit dieser Ansicht nicht selbst wieder in Konflikt mit der Wissenschaft treten. Denn der radikale Szientismus steht dem verminten Feld der Wissenschaftsfeindlichkeit näher als es dessen Vertretern lieb ist.
Die Wissenschaft an sich mit einer bestimmten Form der Wissenschaftstheorie (hier dem Positivismus) gleichzusetzen, ist mehr als gewagt. Denn damit kommt der Feind aller Wissenschaft, das Dogma, durch die Hintertür. Es ist jenes Dogma, dass es zur Erforschung der gesamten Realität nur einen einzigen Weg des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns gebe, nämlich den streng naturwissenschaftlichen. Das erinnert an den alten römischen Spruch, dass es außerhalb der Kirche kein Heil gibt. Womit sich der Bogen weit ins Religiöse spannt. In diesem Anspruch, den einzig wahren Weg zu Wahrheit und Erkenntnis zu besitzen, stehen sich der Szientismus und die Religion auffallend nahe. So manche Anti-Globuli-Kämpfer haben wohl ein Problem mit dem Verlust einer Sicherheit gebenden Rückbindung ins Metaphysische – und suchen nun ebensolche im rein Physischen, bzw. Physikalischen. Kann man machen, wenn man einer solchen Art von „religio“ bedarf. Nur sollte man das nicht mit Wissenschaftlichkeit gleichsetzen.
Solch erkenntnistheoretische Überlegungen sind nicht unbedingt die Welt, in der sich Anti-Globuli-Aktivisten wie Dr. L. aus W. wohlfühlen. Sie lieben nun mal den medial zwitschernden Jahrmarkt über alles. Wohl der Einfachheit wegen. Der Einfachheit im Denken. Wo es sich so wohlig einnisten lässt in einem minimalistischen Entweder-Oder, das Schutz bietet vor dem gefährlichen Sowohl-als-auch, das doch nichts als Angst macht. Diese unheimliche Angst, dass doch etwas dran sein könnte an diesem imprägnierten Zucker. Doch diese Angst wird wirksam unterdrückt. Ein bedingungsloser Kampf eignet sich da bestens als Kompensator.
So werden sich die Freundinnen und Freunde der Homöopathie wohl bald auf die nächsten Schläge der globuliphoben Marktbuden-Rambos einstellen müssen. Aber, wie soll man auf sie reagieren, wenn man wie neulich so plump mit Terrorismus in Verbindung gebracht wird? Entrüstete Kommentare schreiben? Mit gleicher Münze heimzahlen? Energie zu vergeuden war noch nie eine gute Idee. Man könnte sich ja zurücklehnen und dem weiteren Gang der surrealen Komödie zuschauen. Und staunen, wie aus so engumgrenzten Denkräumen derart aufgeblähter Nonsens entweichen kann. Und darauf vertrauen, dass alle ach so Selbstsicheren irgendwann immer ins Straucheln kommen. Und dafür gewappnet sein. Ergo: Man darf gleichsam ge- wie entspannt sein.
Virologe Christian Drosten war begeistert und verlinkte den Beitrag in den sozialen Netzwerken. Auch Karl Lauterbach äußerte sich zustimmend. Die ZEIT hatte wieder einmal einen „richtig guten“ Beitrag veröffentlicht. Dieser stammte von Gastautor Ralf Bönt, und er war mit dem imperativen Titel: „Die Wahrheit ist nicht relativ“ überschrieben. Im Text ging es um die Wissenschaft und ihre Feinde. Und die Macht, die eindeutig auf Seiten ersterer zu sein habe: Wissen ist Macht. Und Macht müsse im Gefahrenfall dafür eingesetzt werden, Feinde in ihre Schranken zu weisen. Das ist jetzt natürlich sehr verkürzt wiedergegeben, was Ralf Bönt in seinem Aufsatz sagte. Aus einer Metaebene betrachtet könnte man sagen: Der Autor verfasste ein Loblied auf die Wissenschaft mit dezidierter Betonung auf die Wissenschaft. Denn seiner Meinung nach gebe es nur eine einzige Wissenschaft. Das sei die Naturwissenschaft. Sie sei die einzig verlässliche Grundlage jeder Welterkenntnis. Andere Wissenschaften hätten nur dann ein Recht beachtet und gehört zu werden, wenn sie sich dem Primat der Naturwissenschaften unterordnen. Täten sie es nicht, müssten sie sich den Vorwurf der Wissenschaftsfeindlichkeit gefallen lassen. Und Feinden müsse man sich entgegenstellen und sie letztlich besiegen. Mit Macht. Bönt führt dabei den Schöpfer des Wissen-ist-Macht-Imperativs Francis Bacon an: „Man besiegt die Natur, indem man ihren Gesetzen gehorcht.“
Wenn im Streit um die Wissenschaften mit Begriffen wie Gesetz und Wahrheit der Naturwissenschaft argumentativ Beistand geleistet wird, sollte man hellhörig werden.
„Indem man auf die Gesetze horcht“ bedeutet für Bönt, die Naturgesetze als letzte Wahrheit kompromisslos anzuerkennen. Für ihn sind sie nicht zu diskutierende Grundlage einer „Lehre von der Wahrheit“, wie er es formuliert. Da Wahrheit nicht relativ sei, könne es auch keine zwei Wahrheiten geben. Daraus zieht Bönt den Schluss: Es gibt nur eine Wissenschaft. Und das ist die Naturwissenschaft. Dem könnte man zustimmen, würden die Naturgesetze tatsächlich letztgültige Wahrheiten abbilden. Dem ist aber nicht so, wie jeder Wissenschaftstheoretiker weiß. Naturgesetze gelten zwar universell, aber nur unter bestimmten Bedingungen. Bönt aber ist es wichtig, die Verknüpfung von Gesetz und Wahrheit zu postulieren. Wenn im Streit um die Wissenschaften mit Begriffen wie Gesetz und Wahrheit der Naturwissenschaft argumentativ Beistand geleistet wird, sollte man jedoch hellhörig werden.
Gesetze und Wahrheiten gehören weniger in den Bereich der Wissenschaften als in jenen des Religiösen, speziell der abrahamitisch-monotheistischen Religionen. Damit sollen physikalische Gesetze nicht relativiert werden. Sie gelten selbstverständlich – in jenem Teil der Wirklichkeit, für den die Physik zuständig ist. Indem Ralf Bönt in seinem Artikel allerdings großen Wert auf Naturgesetze und Wahrheiten legt, um die Deutungshoheit der Naturwissenschaft im Diskurs zu verdeutlichen, verlässt er den rein wissenschaftlichen Boden und taumelt unversehens in Richtung des verminte Feldes des Ideologischen. Sicher, für seine Sicht der Dinge gibt es in der Wissenschaftstheorie eine Grundlage, den Szientismus. Dieser aber ist in seiner radikalen Ausprägung nichts weiter als eine in Wissenschaftlichkeit gehüllte Ideologie, eine rationalistische Pseudo-Religion mit dogmatischem Unterbau.
Der Radikal-Szientismus verengt den Begriff Wissenschaft ausschließlich auf die Naturwissenschaft und behauptet, andere Wissenschaften wären dieser untergeordnet. Letztlich hätten diese nur eine Existenzberechtigung, wenn sie sich in das von der Naturwissenschaft vorgegebene Koordinatensystem eingliedern würden.
Szientismus besagt, dass man die Wirklichkeit nur mit wissenschaftlichen Methoden erfassen kann. Was sich nicht mit Mitteln der Wissenschaft erklären lässt, ist für Szientisten (Selbst)Täuschung oder es existiert schlicht nicht. Nun ist diese Ansicht an sich nicht grundsätzlich zu kritisieren, wenn man die Definition von Wissenschaft in einem universellen Licht betrachtet. Der Radikal-Szientismus verengt den Begriff Wissenschaft jedoch ausschließlich auf die Naturwissenschaft und behauptet, andere Wissenschaften wären dieser untergeordnet. Letztlich hätten diese nur eine Existenzberechtigung, wenn sie sich in das von der Naturwissenschaft vorgegebene Koordinatensystem eingliedern würden. In der aktuellen Corona-Debatte stößt sich Bönt vor allem an Vertretern und Vertreterinnen der Geisteswissenschaften, wenn sie sich hier zu Wort melden. Er nennt sie unumwunden spöttisch „Großdenker anderer Disziplinen“ und meint vor allem Philosophen und Historiker. Diese sind natürlich keine Experten für Virologie oder Epidemiologie, sollten sich aber durchaus zu Wort melden dürfen. Schließlich ist die Corona-Krise kein isoliert virologisches Geschehen. Das scheint Bönt anders zu sehen und sähe es lieber, solche Leute hielten den Mund und ließen nur Experten der Fachgebiete reden. Sie hätten die Fakten und damit die Wahrheit in Sachen Corona.
Nun ist ein wichtiges Kennzeichen aller Wissenschaftlichkeit, dass sie das Erkannte grundsätzlich als vorläufig ansieht. Somit gehört zu ihr das Wesensmerkmal, sich irren zu können, falsch zu liegen und sich korrigieren zu müssen. Das gilt aber nicht nur für das durch wissenschaftliche Methoden Erkannte, es gilt auch für die wissenschaftlichen Methoden des Erkenntnisgewinns selbst. Diesen Aspekt aber lehnt der Radikal-Szientismus ab. Für ihn ist die Herrschaft der Naturwissenschaft auch in diesem Bereich nicht verhandelbar: Nur Naturwissenschaft bietet die Möglichkeit, verlässliches Wissen zu generieren, so das Credo. Da diese Auffassung im Radikal-Szientismus dogmatischen Charakter hat (man sich hierin per se also nicht irren kann), stehen Radikal-Szientisten im Grunde genommen außerhalb der Wissenschaft, während sie sich gleichzeitig als die wahren Hüter der Wissenschaft bezeichnen.
Der Radikal-Szientismus sieht sich als eine reine Lehre auf Basis physikalistischer, reduktionistischer und naturalistischer Prämissen, die es gegen irrationale Einflüsse jeder Art zu verteidigen gelte.
Sicher: Der Schriftsteller und Physiker Ralf Bönt eignet sich nicht unbedingt als Gallionsfigur für radikal-szientistische Kreuzzüge. Zwar plädiert er für die Vorherrschaft des rationalen Denkens über das religiöse Glauben in mythischen Ebenen – zumindest wenn es um Welterkenntnis geht. Aber er möchte sich an keinen Glaubenskriegen beteiligen und bekennt sich zu einer friedlichen Koexistenz. Auch mahnt er, nicht leichtfertig in atheistische Reflexe zu verfallen und Religion mit Kirche gleichzusetzen. Vielleicht sieht er es als erstrebenswert an (so zumindest die Vermutung), dass sich das Religiöse transformiert, indem es sich zurücknimmt im Anspruch, die Welt vom Mikroskopischen bis zum Makroskopischen und vom Geistigen bis zum Materiellen vollständig erklären zu wollen. Was man aber hier vom Religiösen verlangt, muss man zwangsläufig auch vom Rationalen verlangen, sonst wird Wissenschaft zum bloßen Religionsersatz. Der Radikal-Szientismus sieht sich als eine reine Lehre auf Basis physikalistischer, reduktionistischer und naturalistischer Prämissen, die es gegen irrationale Einflüsse jeder Art zu verteidigen gelte. Damit ist er nicht weit weg vom „Extra ecclesiam nulla salus“ (Außerhalb der Kirche gibt es kein Heil) der römischen Machtkirche und dem „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben“ des mosaischen Gesetzes. Doch was hat das mit der Corona-Pandemie zu tun?
Die Corona-Pandemie wird gravierende Folgen haben, nicht nur was die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kollateralschäden angeht. Sie wird auch Folgen für unser Weltverständnis, unser Natur- und Menschenbild haben. Hauptgrund dafür wird die rasante Entwicklung in biotechnologischen Bereichen sein, die sich schon während der Pandemie wahrnehmen lässt. Ralf Bönt hat das in seinem Artikel gut erkannt: Gentechnik, Digitalisierung, künstliche Intelligenz etc. dürften eine „große Revolution“ ankündigen, die alle Reste eines überkommenen postmodernen Relativismus über Bord werfen wird. „Wissenschaftsfeinde“ werden im öffentlichen und politischen Diskurs kein Recht mehr einfordern können, gehört zu werden. Bönt zieht den Vergleich zur Spanischen Grippe, nach der sich Vieles grundlegend änderte: „Eine beinahe ungezügelte Erneuerung in Wissenschaft, Kunst und Politik folgte“. Die Frage, die sich manche in Anbetracht dessen nun aber stellen, ist die, wie eine Erneuerung der Wissenschaft in der Post-Covid-Ära aussehen wird, wenn sie ungezügelt ablaufen wird.
Die Corona-Krise zeigte einmal mehr, wie erfolgreich dieses Modell in der Tat ist, vor allem durch die rasante Entwicklung von Impfstoffen mittels neuester genmanipulativer Technologien. Dies wird dazu verleiten, die Vormachtstellung der Naturwissenschaft noch mehr zu festigen. Das hat dann aber auch zur Folge, dass radikal-szientistische Thesen immer hoffähiger werden.
Wir sehen derzeit einen grandiosen Siegeszug von Technologien, die erstmals in der Geschichte das Leben und den Menschen bis in die kleinsten Einheiten hinein lenken und steuern können. Am Ende dieser Entwicklung steht die Verschmelzung des Menschen mit dem Maschinellen (Transhumanismus), was schließlich zur Überwindung des Menschen durch die Maschine selbst führen soll (Posthumanismus). Das ist nur möglich auf Basis einer Ideologie, die die ganze Natur als Maschine betrachtet. In diesem Sinne ist die gegenwärtige Entwicklung ein Höhepunkt des von Descartes im 17. Jahrhundert angestoßenen und von La Mettrie ausgeformten Maschinenmodells der Natur. Dieses Welt- und Menschenbild prägt auch die moderne Wissenschaft – und das aus gutem Grund, ist es doch extrem erfolgreich. Die Frage ist nur, ob das, was sich als erfolgreich zeigt, gleichzeitig auch wahr und wirklich gut ist, und vor allem für wen. Erfolgreich ist es eigentlich nur aus Menschensicht. Denn in ihm gilt das Gebot „Human first“. Den Preis für den Erfolg zahlt für gewöhnlich die Natur.
Aber es ist nicht zu übersehen: Die Corona-Krise zeigte einmal mehr, wie erfolgreich dieses Modell in der Tat ist, vor allem durch die rasante Entwicklung von Impfstoffen mittels neuester genmanipulativer Technologien. Dies wird dazu verleiten, die Vormachtstellung der Naturwissenschaft noch mehr zu festigen. Das hat dann aber auch zur Folge, dass radikal-szientistische Thesen immer hoffähiger werden. Man wird künftig gerne radikal-szientistisch argumentieren und aus dieser Ideologie Handlungsanweisungen ableiten. Zumal andere Wissenschaften sich wohl nicht bedingungslos der eingeforderten Hegemonie beugen werden. Womöglich droht ein „Krieg der Wissenschaften“, eine Fortführung des ewigen Streits zwischen Idealismus und Materialismus, den die Geisteswissenschaft im offenen Kampf wohl nicht gewinnen kann, da ein solcher nur über Sieg oder Niederlage zu entscheiden ist. Gibt es in diesem Diskurs aber Sieger und Verlierer, so ist niemandem geholfen.
Sollte der Radikal-Szientismus sich aber durchsetzen und mit seinem pseudo-religiösen Anspruch zur dominanten Ideologie des 21. Jahrhunderts werden, dann dürfte er wohl nicht sehr lange existieren. Wie bei Pflanzen häufig zu beobachten, kommt vor dem Tod ein letztes großes Erblühen. Warum vieles dafür spricht, erklärt wieder Francis Bacon, den Ralf Bönt als Gewährsmann anführt. Dieser spricht explizit vom Sieg über die Natur als Ziel allen menschlichen Forschens. Eine Wissenschaft, die dieses Ziel als Grundlage hat, muss scheitern. Wenn wir den Zustand des Planeten Erde betrachten, dann können wir dieses Scheitern vor unser aller Augen erkennen. Alle jetzigen und künftigen ökologischen Katastrophen sind letztlich eine Folge eines Weltbildes, das die Natur ausschließlich als zu bekämpfende Gefahr ansieht. Und selbstredend als ein Ding, das zum eigenen Wohl ausgebeutet und geplündert werden kann. Eine Wissenschaft, die in dem alttestamentarischen Paradigma des „Macht euch die Erde untertan“ gefangen ist, wird die bedrohte Erde nicht retten können. Niemand macht den Bock zum Gärtner.
Keine Frage: Vor der drohenden Apokalypse wird uns nur die Wissenschaft retten können. Eine Wissenschaft, die auf Fakten basiert, in der keine Meinungen beliebig zu Fakten konstruiert werden dürfen und die die Ratio zur Grundlage hat. Aber die auch durch eine Vielfalt der Denkgebäude geprägt sein muss, die Wahrheitsansprüche für ihre Erkenntnisse ablehnt und sich jeder ideologischen Verbiegung entgegenstellt. Wir brauchen dringend eine Wissenschaft, die Universalgelehrte wie Alexander von Humboldt hervorbringen kann, der sagte: „Die Natur muß gefühlt werden, wer nur sieht und abstrahirt … wird die Natur zu beschreiben glauben, ihr selbst aber ewig fremd sein.“ Dem Radikal-Szientismus ist dieses Fremdsein eigen, deshalb kann er keine Zukunft haben. Es sei denn, er baut sich eine eigene Natur, die von allem Lebendigen radikal befreit ist. Eines scheint sicher: Daran wird schon eifrig gearbeitet.
Scheinbar trauen immer weniger Menschen wissenschaftlichen Fakten. Das bringt die Vertreter des Wissenschaftsjournalismus auf die Palme. Vielleicht spüren die Leute aber instinktiv, dass man die Welt nicht einfach in Fakten und alternative Fakten einteilen kann, in vermeintlich richtig und vermeintlich falsch. Vielleicht haben die Leute ja einen instinktiven Hang zum perspektivischen Denken, ober auch zur Ambiguität (Mehrdeutigkeit). Um es klar zu sagen: Es geht hier nicht darum, ob die Erde eine Scheibe ist oder nicht, vielmehr um Themen, die so komplexe Systeme betreffen wie die des Lebens. Wobei wir bei der Medizin wären. Zugegeben nicht das Fachgebiet der hier abgebildeten studierten Köpfe. Mai Thi Nguyen-Kim und Dirk Steffens kann man das ja noch nachsehen, aber Harald Lesch als Experten für Naturphilosophie und bekennenden Fan von Alfred North Whitehead nicht, der ja eine ganz andere Weltsicht (auch des Organischen) konzipierte, als jene, vor deren Karren sich Lesch nun spannen lässt. (1)
„Fakten sind kastrierte Wahrheiten“ sagt der Dichter und Philosoph Khalil Gibran (2). „Fakten sind die richtigen Wahrheiten“ sagen die Vertreter des Wissenschaftsjournalismus (3). Fakten sind Tatsachen und keine Meinungen, das ist unbestritten, nur haben Fakten nicht zwangsläufig etwas mit Wahrheit zu tun. Das hat z.B. Harald Lesch bisher immer wieder betont (4), behauptet nun aber das Gegenteil, wenn es um das Thema Homöopathie geht. Diese baue für ihn (und er vergleicht sie dabei in einem Atemzug mit dem Nationalsozialismus) auf Scheinwelten auf und nicht auf objektiven Wahrheiten. (5) …
Lesen Sie dazu das Kapitel „Fakten, Fakes und Fast-Food-Denken“ aus meinem Buch „Alternativloses Heilen“ (6). Wenn dort von „Skeptikern“ die Rede ist, muss man von nun an auch Wissenschaftsjournalisten sagen.
Fakten, Fakes und Fast-Food-Denken
Den Wahrheitsanspruch der Naturwissenschaften begründen die Skeptiker mit der nachweisbaren Gültigkeit von Fakten, die die wissenschaftliche Erkenntnis erbracht hat. Fakten und Wahrheit stehen für sie auf einer Stufe. Und da wissenschaftliche Fakten nachweisbar, überprüfbar und nicht widerlegbar sind, dürfe man ihnen auch Wahrheitscharakter beimessen. Alles andere hieße, sie der beliebigen Interpretation preiszugeben – mit verheerenden Folgen für die Wissenschaft, aber auch für die aufgeklärte Gesellschaft. So verkehrt ist diese Auffassung ganz gewiss nicht. Sie bringt nur die Gefahr mit sich, etwas zu zweifelsfreien Fakten zu erklären (und mit dem Wahrheitsmerkmal zu adeln), was diesen Anspruch gar nicht erfüllt. Entsprechende Tendenzen kann man in der Argumentation der Skeptiker gegen die Alternativmedizin deutlich erkennen.
Fakten können als eine Art Totschlagargument dienen. Mit ihnen kann man jede Diskussion kurz machen und feststellen: So ist es, Punkt! Fakten sind schließlich Tatsachen, die objektiv zutreffen und richtig sind. Wer solche anzweifelt oder leugnet, stellt sich damit oft selbst ins Abseits und muss sich nachsagen lassen, „alternative Fakten“ zusammenzubasteln und sie als Fake News unter die Leute zu bringen. Er oder sie gelten dann schnell als Verschwörungstheoretiker, die entweder ein Problem mit ihrem Intellekt haben oder böse Absichten im Schilde führen. Das kann dann so weit gehen, dass Homöopathen schon mal als „Reichsbürger in Birkenstock“ oder „Globulidioten“ denunziert werden. Kurz: Wer sich auf Fakten berufen kann, braucht keine Angst mehr vor Zweifeln zu haben und kann sich beruhigt auf der Seite der „Guten“ beziehungsweise „Richtigen“ wähnen und sich über all die „anderen“ ärgern und/oder lustig machen. Doch was sind eigentlich Fakten?
In der objektiven Welt der Naturwissenschaften hat man es mit der Faktenlage vergleichsweise leicht. Das Normalhöhennull der Zugspitze liegt bei 2962,06 Metern, die maximale Tiefe des Bodensees liegt bei 251 Metern und unser Sonnensystem besitzt acht Planeten. Das sind alles überprüfbare und absolut richtige Tatsachen – bis auf das letzte Beispiel. Bis 2006 hatte unser Sonnensystem neun Planeten. Der äußerste, Pluto, wurde gestrichen. Also war die Faktenlage diesbezüglich bis 2006 eine andere als heute. Wahrscheinlich ist der Fakt, das Sonnensystem habe acht Planeten aber auch falsch, denn es wird allgemein angenommen, dass es möglicherweise doch einen neunten Planeten weit hinter Pluto gibt. Im Gegensatz zu den physikalischen Messwerten gehört die Anzahl der Planeten also zu einer ganz anderen Kategorie von Fakten. Man könnte sie variable „Definitionsfakten“ nennen im Gegensatz zu den harten „Messungsfakten“.
Bei der ersten Kategorie definiert der Mensch den Rahmen, in welchem etwas bestimmt werden soll, in der zweiten misst er etwas von der Natur Vorgegebenes, was sich durch Überprüfung sicher bestätigen lässt. In der ersten Kategorie können sich die Verhältnisse und die daraus hergeleiteten Fakten ändern, in der zweiten nicht (es sei denn, man findet zum Beispiel im Bodensee irgendwann eine noch tiefere Stelle). Man könnte noch eine dritte Kategorie aufmachen und diese vielleicht „Beobachtungsfakten“ nennen. Sie ähneln den „Messungsfakten“, beziehen sich aber nicht auf einzelne physikalische oder chemische Gegebenheiten, sondern sie haben komplexere Dinge zur Grundlage. Ein aktuelles Beispiel hierfür wäre die Situation des Klimawandels. Da werden Daten gesammelt, Studien gemacht und Modelle erstellt – alles auf neuestem wissenschaftlichem Stand. Es wird also exakt und genau beobachtet, um daraus verlässliche Aussagen zu machen. So entstehen die „Fakten zum Klimawandel“. Da sie wissenschaftlich korrekt erstellt wurden, gelten sie als richtig. Doch auch sie sind nicht unumstößlich. Aktuellere Daten können andere Aussagen nach sich ziehen. Folglich sind Fakten, die auf Basis wissenschaftlicher Forschung gewonnen wurden, objektiv richtig, müssen jedoch immer entsprechend interpretiert werden. Eigentlich sind Fakten, die keine rein physikalische oder chemische Basis haben, immer Interpretationen von Daten, die wiederum selbst hinterfragt werden können. So weit, so gut. Was aber hat das mit der Diskussion um die Alternativmedizin zu tun?
Die Argumentation der Skeptiker geht dahin, dass die Fakten eindeutig gegen die Wirksamkeit der allermeisten alternativmedizinischen Heilverfahren sprächen. Diese Aussage ist die Basis, auf die sich ihre Forderung stützt, Alternatives konsequent aus der Medizin auszusortieren und nur noch nachweislich Wirksames zu akzeptieren. Wenn man nun weiß, dass Fakten nicht gleich Fakten sind, dann stellt sich natürlich die Frage, wie die Fakten einzuordnen sind, die laut Skeptikerbewegung zweifelsfrei gegen die Alternativmedizin sprechen sollen. Da man sich im Bereich der Medizin befindet, gilt die therapeutische Wirksamkeit als Maßstab. Bestätigen wissenschaftliche Untersuchungen eine Wirksamkeit, dann gilt eine solche als „wissenschaftlich bestätigt“. Hierzu werden klinische Studien gemacht, die die Frage nach der Wirksamkeit beantworten sollen. Davon gibt es verschiedene Arten. Die höchste Aussagekraft wird den randomisierten Doppelblindstudien zugeschrieben, doch werden auch andere Studientypen zur Beurteilung herangezogen. Auch zu den verschiedenen alternativmedizinischen Heilverfahren gibt es wissenschaftliche Studien unterschiedlichster Art. Nach Auffassung der Skeptiker konnten diese keine spezifische Wirksamkeit nachweisen. Für sie ist dies ein zweifelsfreies Faktum auf wissenschaftlicher Grundlage. Somit sei eine Eliminierung dieser Verfahren aus der offiziellen Medizin geboten und legitim. Wie eindeutig aber ist die Aussagekraft solcher Studien wirklich?
Hier muss man sehen, in welche Kategorie von Fakten die Studiendaten einzuordnen sind. Harte „Messungsfakten“ sind sie sicherlich nicht, schon eher handelt es sich um „Beobachtungsfakten“, also solche, die komplexe Systeme empirisch untersuchen und Daten erheben, die gedeutet werden müssen. Da einzelne Studien für sich genommen noch keine klare Aussage erbringen können, fasst man die Studienlage zusammen und erstellt sogenannte Reviews und Metaanalysen. Hierzu aber müssen Vorgaben und Kriterien erstellt werden, die genau zu definieren sind. Die Ergebnisse solcher Studienanalysen werden durch den Filter dieser Rahmenbedingungen bedingt. Werden sie verändert, verändert sich meist auch das Ergebnis. Das Analysieren und Auswerten von Studiendaten ist eine heikle Angelegenheit. Man kann noch so bemüht sein, die Fehlerwahrscheinlichkeit so gering wie möglich zu halten, es wird nie ganz gelingen. Von harten Fakten sind solche Studiendaten also weit entfernt. Auch wenn wissenschaftliche Studien die Grundlage für die Beurteilung medizinischer Verfahren sind, ist ihre Aussagekraft – gleich in welche Richtung – eher als ein (wenn auch gut begründetes) Indiz zu werten, kaum aber als zweifelsfreier Beweis mit Wahrheitsanspruch.
Wenn das in der Wissenschaft allgemein bekannt ist, müsste man eigentlich alle Studien vorsichtiger interpretieren, als es heute geschieht. Jedenfalls ist es wissenschaftlich kaum nachvollziehbar, wenn man die Studienlage als objektiven, letztgültigen Beweis für eine Aussage heranzieht. Auch kann man auf deren Grundlage keine Schlussfolgerungen ziehen, die eine Art „Wahrheitscharakter“ aufweisen sollen. In der Diskussion um die Alternativmedizin wird das jedoch häufig gemacht. Skeptiker legen die Studienlage oft so aus, als sei sie der „wissenschaftliche Beweis“, dass diese Methoden unwirksam seien. Oder sie formulieren diese Aussage zumindest so, dass man sie entsprechend interpretieren kann. Damit machen sie aus vorhandenen Fakten aber Fakes, denn solche Schlussfolgerungen sind wissenschaftlich unzulässig.
Beispiele, wie die Faktenlage zu Globuli & Co. manipuliert werden kann, gibt es viele. So verbreiteten homöopathiekritische Skeptiker vor einiger Zeit in den sozialen Medien die Aussage, die Fakten zur Homöopathie seien so unbestreitbar wie die Existenz der Mondphasen. Diese Behauptung ist schon deshalb Unsinn, weil sie verschiedene Faktenebenen miteinander verknüpft. Die Mondphasen lassen sich mittels Berechnungen aus Mathematik und Physik bestimmen. Für die Beurteilung eines medizinischen Heilverfahrens ist eine solche Herangehensweise nicht möglich. Durch die Verknüpfung der Ebenen wird aber suggeriert, die Behauptung, Homöopathie sei nicht wirksam, entspräche einer wissenschaftlichen Tatsache, die absolut unbestreitbar ist. Damit bekommt diese Aussage einen „Fake-Charakter“. Wer sich in der Materie nicht auskennt, wird das nicht bemerken und die Behauptung als gegeben und nicht anzuzweifeln einstufen.
Das Reduzieren auf simple Aussagen in der Debatte um die Alternativmedizin trägt mit zur Fake-Bildung bei. Bei der Homöopathie genügt ein einfaches „Nix drin, nix dran“, bei der Akupunktur ein „das Chi gibt es nicht“ und bei der Cranio-Sacral-Therapie „pulsierende Liquorwellen sind reine Fantasie“. Wenn solche Behauptungen von wissenschaftlicher Seite gemacht werden, nimmt man sie für gewöhnlich als „wahr“ an und ordnet sie als „nachweislich richtig“ in sein Denksystem ein. Selbst wenn diese Aussagen zweifelsfrei richtig sein sollten, heißt das nur, dass das spekulative Wirkmodell solcher Methoden nicht den Tatsachen entspricht. Damit aber eine nachgewiesene Unwirksamkeit zu verknüpfen, ist nach wissenschaftlichem Verständnis nicht möglich. Sicher wissen das die Gegner der „sanften Medizin“, weite Teile der Bevölkerung vermutlich aber nicht. Deshalb lässt sich mit solchen Vereinfachungen über ein „schnelles Denken“ bewusst spielen und die Meinungsbildung beeinflussen.
Die Einteilung in „schnelles Denken“ und „langsames Denken“ stammt von dem Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman. Danach bedienen wir Menschen uns im Alltag häufig einer schnellen Art des Denkens, weil Denken an sich anstrengend ist. Mitunter führt das Nachdenken über eine Sache auch nicht zu eindeutigen Antworten, sodass Zweifel bleiben. Da Zweifel aber häufig Hemmschuhe für ein aktives und zielgerichtetes Agieren sind, wollen wir sie vermeiden. Da hilft das „schnelle Denken“. Es arbeitet oft mit vom Intellekt leicht zu verwertenden Aussagen, die klar, eindeutig und einleuchtend sind. Oft läuft diese Art des Denkens automatisch und unbewusst ab, ist emotional eingefärbt und neigt zum Stereotypisieren. Ein solches Denken führt jedoch schnell zu Fehlschlüssen. „Langsames Denken“ hingegen ist analytisch, logisch, bewusst und hinterfragend. Es sei ein wirksamer Schutz vor kognitiven Verzerrungen und daraus resultierenden Irrtümern, so Kahneman. So betrachtet ist „schnelles Denken“ intellektuelles Fast-Food, das bequem ist, schnell sättigt, aber auf Dauer Probleme bereitet.
Die Kritiker der Alternativmedizin werfen dieser einen übersteigerten Hang zum „schnellen Denken“ vor. Wer an die Wirkung von Globuli, Bioresonanz oder Kräutermixturen glaube, der blende die Realität aus, die eindeutig besage, dass eine solche Wirksamkeit gar nicht existiere. Er akzeptiere nur, was er glauben wolle und was mit seiner Weltsicht im Einklang stehe – also keine Zweifel erzeuge. Es braucht nun wenig analytischen Scharfsinn, um festzustellen, dass die Argumentationsweise der Skeptiker nicht weniger Elemente eines „schnellen Denkens“ enthalten, als die von eingefleischten „Naturheilern“. Während letztere ihr „Fast-Food-Denken“ wohl mehr unbewusst und instinktiv einsetzen (da sie um den Unterschied der Denkweisen vielleicht gar nicht Bescheid wissen), kann man davon ausgehen, dass die wissenschaftlich meist bestens geschulten Skeptiker das schnelle Vereinfachen als Strategie bewusst einsetzen. Wer weiß, wie die Masse tickt, hat es leicht, sie in seinem Sinne zu führen. Das ist das Wesen jeder Propaganda.
Vor allem in der mitunter emotional sehr heiß geführten Diskussion um die Homöopathie werden seitens mancher Globuli-Gegner häufig denunzierende Behauptungen aufgestellt, die auf das „schnelle Denken“ der Menschen abzielen: „Homöopathie ist gefährlicher Voodoo-Zauber“, „Homöopathie ist Verschwörungstheorie“, „Homöopathen sind Betrüger und ziehen unschuldigen Patienten ihr Geld aus der Tasche“. Solche Aussagen werden häufig nicht hinterfragt, wenn sie aus scheinbar seriösen, wissenschaftlichen Kreisen kommen. Vor allem werden sie aus dem Grund als „bare Münze“ genommen, weil sie auf dem zentralen Argument der Homöopathiegegner aufbauen, das man in etwa so zusammenfassen kann: „In Globuli ist nichts drin, deshalb können sie auch nicht wirken. Das kann gefährlich werden. Lasst also die Finger davon und nehmt nur, was wirklich wirkt!“ Eine Aussage, der man kaum widersprechen kann, da sie scheinbar wissenschaftlich belegt ist, und zudem dem gesunden Menschenverstand entspricht. Leider hält sie aber einer Analyse durch ein „langsames Denken“ nicht stand.