Die irrationalen Hintergründe der Anti-Homöopathie-Kampagne

Die „Aufklärungs“-Kampagnen gegen die Homöopathie werden von der so genannten Skeptiker-Gemeinde getragen. Diese nimmt für sich in Anspruch, die Welt streng rational zu betrachten, zu beschreiben und zu erklären. Irrationales gibt es im skeptizistischen Weltbild nicht. Alles lässt sich rational erklären. Was sich der Rationalität entzieht, existiert nicht – oder nur in der Phantasie der jeweiligen „Gläubigen“. Rationalität ist somit die zentrale Grundlage dieser Art des Skeptizismus. Allerdings ist auch er nicht völlig frei von Irrationalem.
Wenn man die Aktionen der Anti-Homöopathie-Bewegung betrachtet, überrascht deren nicht selten obsessives Vorgehen. Wie Getriebene versuchen deren Akteure überall, wo sie auf das Thema Homöopathie und Globuli stoßen, eine aggressive Gegenposition zu beziehen. Sie haben ihre Arbeit ja auch als Mission bezeichnet, als „Mission Globukalypse“, um die Homöopathie ein für alle Mal auf dem Friedhof der Medizingeschichte zu verscharren. Was für Gründe könnte es für diesen missionarischen Eifer geben? Da dürften zwei Gründe wohl im Vordergrund stehen – und beide haben viel mit Irrationalität zu tun.
1. Glaubenskrieg
Das Wort Glaubenskrieg fällt in der Homöopathie-Diskussion oft. Stoßen da doch zwei Weltanschauungen aufeinander. Hier der strenge Materialismus und Naturalismus, dort die Ansicht, es gäbe eben mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, die der Verstand (noch) nicht erklären könne. Die Vertreter des modernen (nicht des philosophischen) Skeptizismus betrachten die der Homöopathie zugrunde liegende Weltanschauung als magisch, esoterisch und von der Wissenschaft als überholt und widerlegt an. Ein Vertreten von überlieferten Ansichten, die nicht im Einklang mit der Naturwissenschaft zu bringen sind, sei potenziell gefährlich, weshalb man sich aktiv gegen sie einsetzen müsse. So formiert man sich zum Kampf im Namen der Wissenschaft, dem ein dogmatischer Dualismus von Wissen und Glauben zugrunde liegt. Wie in der antiken Gnosis streitet die Wahrheit gegen die Lüge, das Licht gegen die Dunkelheit, das Gute gegen das Böse. Vergessen oder ausgeblendet wird dabei etwas Wichtiges: Wer Wissenschaft mit Richtigkeit und Wahrheit gleichsetzt, konstruiert damit auch nur eine Glaubenslehre. Diese Glaubenslehre fußt darauf, dass das herrschende naturwissenschaftliche Weltbild nicht nur richtig, sondern auch absolut ist. Es schließt andere Weltanschauungen grundsätzlich aus oder diskreditiert sie als „unwissenschaftlich“. Das hat manchmal schon etwas Religiöses nach dem Motto: Du sollst keine fremden Götter neben mir haben …
Ziel eines fundamentalistischen Szientismus ist der Aufbau einer Szientokratie, der Herrschaft der Naturwissenschaft in allen Bereichen der Gesellschaft, selbst innerhalb menschlicher Beziehungen und der Ethik. Alles habe sich dem Primat der exakten Naturwissenschaften unterzuordnen.
Die Glaubenslehre dieser Art „Skeptiker“ hat auch einen Namen. Es handelt sich um einen fundamentalistischen Szientismus. Im Szientismus geht man davon aus, dass sich alle Fragen des Lebens allein mit naturwissenschaftlichen Methoden beantworten lassen. Aussagen, die sich nicht mit Methoden der Naturwissenschaft begründen lassen, sind entweder sinnlos oder sie betreffen nicht existente Dinge (1). Dazu fordert der Szientismus, alle Bereiche der Gesellschaft ausschließlich mit naturwissenschaftlicher Methodik anzugehen. Ziel eines fundamentalistischen Szientismus ist der Aufbau einer Szientokratie, der Herrschaft der Naturwissenschaft in allen Bereichen der Gesellschaft, selbst innerhalb menschlicher Beziehungen und der Ethik (2). Alles habe sich dem Primat der exakten Naturwissenschaften unterzuordnen. Das nun hat etwas beängstigend Irrationales an sich, das an schlimme Zeiten während des Mittelalters erinnert – gewiss mit entgegengesetzten Vorzeichen: Die Wissenschaft hat nun die Rolle der Religion übernommen. Man sieht: Im Streit um die Homöopathie geht es um weit mehr als nur um die Wirksamkeit von Zuckerkügelchen.
2. Angst
Mit dem Glauben eng in Verbindung stehen kann die Angst. Das ist besonders dann der Fall, wenn der Glaube sich auf ein Welterklärungsmodell stützt, das nicht hinterfragt oder angezweifelt werden darf. Das trifft auf den fundamentalistischen Szientismus der „Skeptiker“ eindeutig zu. Andere Modelle werden kategorisch abgelehnt und bekämpft. Während bei Religionen die Angst vor allem bei den einfachen Gläubigen vorherrschen kann, z.B. gegen die „göttlichen Gesetze“ zu verstoßen und als Folge dessen im Höllenfeuer zu enden, ist die Angst im fundamentalistischen Szientismus anders gelagert. Dort hat sie damit zu tun, dass sich das Bekämpfte irgendwann (vielleicht sogar schon bald) doch als zutreffend erweisen könnte.
Sollte die Wirksamkeit von Globuli klar und allgemein anerkannt belegt werden, dann müsste man die Homöopathie nach den geltenden Regeln der evidenzbasierten Medizin offiziell anerkennen. Diese Gefahr ist durchaus real, denn die Studienlage zur Homöopathie ist alles andere als „vernichtend“ für die Anhänger Samuel Hahnemanns.
Im Fall der Homöopathie hängt über den Köpfen der „Skeptiker“ das Damoklesschwert der wissenschaftlichen Studien. Sollten diese eine Wirksamkeit von Globuli klar und allgemein anerkannt belegen, dann müsste man die Homöopathie nach den geltenden Regeln der evidenzbasierten Medizin offiziell anerkennen. Diese Gefahr ist durchaus real, denn die Studienlage zur Homöopathie ist alles andere als „vernichtend“ für die Anhänger Samuel Hahnemanns (3). Dies erklärt wohl auch, mit welcher Vehemenz die Studien zur Homöopathie angezweifelt und als „minderwertig“ eingestuft werden. Das ist die große Achillesferse der Homöopathiekritik. Und hier droht Gefahr selbst aus dem eigenen Lager:
Wie viele Landesärztekammern zuvor hat jene von Mecklenburg-Vorpommern im Juni 2020 die Weiterbildung in Homöopathie gestrichen. Der Präsident der Kammer, Professor Andreas Crusius, sprach sich gegen die Streichung aus, musste sie aber mittragen. Ohne sich offen zur Homöopathie zu bekennen, bezog er in den Medien jedoch klar Stellung: „Nehmen wir einmal an, es gibt in zwei Jahren Studien (evidenzbasierte), dann bin ich der Erste, der den Antrag stellt, das wieder einzuführen, weil: wer heilt, hat recht.“ (4). Solche Aussagen können den Gegnern der Homöopathie nicht gefallen, lenken sie doch den Blick genau auf besagte Achillesferse ihrer Argumentation.
Nun ist der Präsident einer Landesärztekammer ein Vertreter der Schulmedizin, kann aber sicher nicht zum Lager der Globuli-Gegner gerechnet werden, wenn er solche Aussagen macht. Weit gefährlicher sind Äußerungen, die in die gleiche Richtung gehen, wenn sie vom medialen Aushängeschild der Anti-Homöopathie-Kampagne stammen, der Ex-Homöopathin und Ex-Chefin des Informationsnetzwerks Homöopathie (INH) Dr. Natalie Grams. Auf die Frage was wäre, wenn die Wissenschaft die Wirksamkeit der Homöopathie doch nachweisen würde, erklärte sie offen: „Wissenschaft ist dazu da, Wissen zu schaffen. Und wenn dieses Wissen jetzt sozusagen erbracht wäre, dann käme das zwar einem Wunder gleich, das mehrere Nobelpreise rechtfertigen würde. Aber wenn das so wäre, ich wäre die Erste die zurückgeht in ihre Praxis. Ich würde mich freuen!“ (5).
Diese Ausführung von Natalie Grams kann wohl als größer Fauxpas in ihrer Laufbahn als Homöopathie-Gegnerin bezeichnet werden. Da hilft auch die Einschränkung „es käme einem Wunder gleich“ nichts. Die Aussage steht im Raum: Wenn der Homöopathie der Wirkungsnachweis gelingt, kehrt Natalie Grams mit Freude in ihre homöopathische Praxis zurück. Man kann sich gut vorstellen, wie die eingefleischten „Skeptiker“ die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen haben, als sie das hören mussten. Und dann muss ihnen wohl der Angstschweiß auf die Stirn getreten sein. Natalie Grams „Wenn das so wäre …“ können sie nur mit einem „Kann aber niemals sein …“ entgegnen. Womit wir wieder beim Glaubenssystem des fundamentalistischen Szientismus wären.
Inzwischen ist Natalie Grams (förmlich über Nacht) von allen Ämtern im Informationsnetzwerk Homöopathie zurückgetreten. Das war schon vor Ausstrahlung des besagten Interviews. Ein Zusammenhang ist also nicht erwiesen. Die Frage, ob man in der Führungsetage des INH nicht schon vor dem Sendetermin von der brisanten Aussage ihrer Leiterin wusste, steht allerdings im Raum.
(1) https://lexikon.stangl.eu/16931/szientismus/
(2) https://de.wikipedia.org/wiki/Scientokratie
(3) https://www.xn--homopathie-forschung-59b.info/category/klinische-forschung/
(5) https://www.rbb-online.de/wahrheit/videos/die-wahrheit-ueber—-homoeopathie.html